Korallensterben auch auf den Seychellen!

Unser Mitglied Stephan Bormann berichtet von seinem Aufenthalt auf den Seychellen und seinen teilweise erschreckenden Beobachtungen.

Tauchen im Indischen Ozean: Diesmal die Seychellen Nein, ein Urlaub war es diesmal nicht, denn wir hatten zwei Forschungsflugzeuge auf den Seychellen stationiert, um die Klimawirksamkeit der grossen Cumulonimbus-Wolken zu studieren. Ziel der Messungen war auch der Einfluss der Tropen auf den globalen Ozonhaushalt. Denn das Ozon der Stratosphäre wird hier in der intensiven Sonnenstrahlung erzeugt, dann von den globalen Windsystemen verfrachtet, um schliesslich zum Teil in den diversen polaren "Löchern" zu verschwinden. Aber trotz der bei 34 Grad und 88 Prozent Luftfeuchte sehr anstrengenden und reichlich unangenehmen -weil extrem schweisstreibenden- Arbeitsbedingungen ergab sich doch die Gelegenheit elfmal zu tauchen und täglich zu schnorcheln. Und darüber möchte ich Euch berichten. Auf der Hauptinsel Mahe (etwa 5 Grad südlicher Breite, 55 Grad östlicher Länge) gibt es bei fast allen größeren Hotels kleine oder große Tauchbasen, die zumeist von PADI betrieben werden. Auch auf den kleineren Inseln Praslin und La Digue gibt es solche, obwohl man einen sehr guten Eindruck schon beim Schnorcheln bekommt, und vielerorts eigentlich gar nicht tauchen muß. Besonders empfehlenswert ist hierbei das Schnorcheln bei Nacht.

Da die Seychellen aus reinen Granitfelsen bestehen, bietet die Unterwasserlandschaft riesige, autogroße überwachsene Felsen, sowie Saum(korallen)riffe, die fast überall die Inseln umsäumen mit Riffdachgrößen über 500 m. D.h. bei Ebbe muß man 500 m über das Riffdach durch 50 cm knöchel- bis knietiefes Wasser waten/klettern bevor man zur Riffkante in tieferes, schnorchelbares Wasser kommt. Jetfins mit Füßlingen sind da ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Deshalb ist man aber auch beim Tauchen sehr an die Gezeiten gebunden und die Tauchschule an unserem Hotel an der Ostküste geht nur einmal täglich mit dem Boot raus, und ist sogar eine Woche lang –der Neumondwoche- ganz geschlossen. Dann nämlich ist das Wasser so flach, daß das Boot nicht über das Riffdach ins offene Wasser gelangen kann. An der Westküste sind diese geophysikalischen Verhältnisse etwas günstiger, dafür sind die organisatorischen schlechter, wie weiter unten beschrieben.

Nun also kam mein erster Tauchgang an einem Riff "Lost City" drei Seemeilen von der Ostküste entfernt. Da wir mehrere 18-Fuß-Container voller Instrumentation per Schiffsfracht auf die Seychellen geschickt hatten, fiel dort eine kleine Kiste mit meiner gesamten Taucherausrüstung nicht weiter "ins Gewicht". Deren Inhalt machte sich aber finanziell deutlich bemerkbar, weil Tauchgänge mit Eigenausrüstung deutlich billiger sind, als wenn man alles leihen muß. Ich sprang also ins Wasser und stoppte auf dem Weg am Ankerseil entlang zum Riff in 22 m Tiefe bei 12 m, hatte gerade Zeit, Tiefe und Ausrüstung geprüft, als eine Karettschildkröte in Sicht kam. Diese beobachtete die anderen Taucher und hatte dazu den Kopf zur Seite gedreht und schwamm direkt auf mich zu, ohne auf ihrem Kollisionskurs in Schwimmrichtung zu schauen. Etwa 50 cm vor der Kollision wurde sie meiner ansichtig und wich aus, um mich auf Griffdistanz etwa fünf Minuten zu umkreisen. Ich leuchtete sie mit der Lampe an und hätte ihr auf den Panzer klopfen können. Da die anderen Taucher sich schon weit entfernt hatten musste ich hinterher. Beim Aufschliessen mit der Gruppe wurde ich durch einen Schwarm aus etwa 50 besorgniserregend großen Barakudas behindert. Am Riffboden waren dann Fischschwärme von Ausmaßen, die mir selbst von den Malediven her unbekannt waren. Nicht hunderte sondern tausende von Goldstriemenschnappern, Gabelmakrelen, und Bonito-ähnlichen Fischen schwammen in Schwärmen. Der Goldstriemenschnapperschwarm umzingelte die Taucher so massiv, dass die Sichtweite nur noch 5 m betrug. Unmöglich den Boden zu sehen, oder die anderen Taucher. Ein unvorstellbares Chaos gab es dann, als alle vier Riesenschwärme durcheinanderschwammen. Im weiteren Verlauf des Tauchganges gab es dann Ammenhaie mit Jungfischen, Weißspitzenhaie, Stachelrochen mit 2 Meter Durchmesser (wie man an einem darüberschwebenden Taucher abschätzen konnte) und jede Menge Adlerrochen, Muränen, sehr ängstlicher Oktopusse. Auch das ganze Spektrum an Korallenfischen bestehend aus Papageifischen, Barschen, Füsilierfischen, Doktorfischen usw. war vollständig vorhanden, was mich verwunderte. Denn jetzt kommt der große Wermutstropfen, der eigentlich eher ein ganzes Wermuts-Faß darstellt. Die ganze farbenprächtige Szenerie spielte sich vor einem braungrünen Hintergrund aus toten Korallen ab. Am Boden des Riffs findet man auch nach sehr angestrengter Suche nicht eine einzige lebende, riffbildende Koralle. Die Geweihkorallen sind alle abgestorben, ich habe nicht eine einzige lebende gefunden. Die Steinkorallen sind zum größten Teil eingegangen. Die nichtriffbildenden Weichkorallen sind vorhanden, wie man zum Beispiel bei einem Tauchgang bei der kleinen Insel L‘Ilot an der Westküste sehen konnte. Aber von den Riffbildnern sind nur noch tote Gerüste übrig. Diese Gerüste sind entweder von grünem Algenschleim überzogen, oder von grauen fädigen Strukturen, oder stehen einfach unbedeckt braun, aber tot da. Das bedeutet, daß man beim Schnorcheln ausnahmslos immer auf einen grau-braunen, offensichtlich toten Boden blickt, obwohl man bei fast jedem Schnorchelgang Muränen, Schildkröten und Oktopusse antrifft.

Mich verwunderte, daß die typischen Korallenfische, die direkt von den Korallen abhängen noch nicht abgewandert sind. Dies wird aber mit Sicherheit bald passieren. Was man in den Zeitungen über das Coral bleaching gelesen hat trifft leider in vollem Ausmaß zu, auch wenn man Medienberichten und deren Neigung zu unverhältnismäßiger Übertreibung eher mißtauisch gegenübersteht. Und wenn man den Tauchern Glauben schenken kann, die von den Malediven hierher kamen, dann sind die Verhältnisse dort noch erheblich schlimmer. Dort scheint das Korallensterben schon soweit fortgeschritten zu sein, daß man geplante Tauchreisen dorthin am Besten storniert. Auch die Seychellen sind für den, der die Korallenriffe in ihrer ursprünglichen Form kennt, nicht mehr zu empfehlen.

Eine Professorin für Meeresbiologie aus Hamburg war zufällig unter den "Tauchtouristen" und nach einem Tauchgang fragte ich sie nach den Ursachen und Folgen. Sie erklärte mir, daß die Wassertemperaturen bis in 30 m Tiefe in weiten Gebieten oberhalb von 30 Grad lagen, und daß die riffbildenden Korallen dies nicht überleben. Die symbiotischen, photosynthesetreibenden Zooxanthellen, die in den Korallenpolypen leben betreiben bei diesen hohen Temperaturen die Photosynthese so intensiv, daß der Polyp mit den "Abfallprodukten" seiner "Gäste" nicht mehr fertig wird und gleichzeitig den Zooxanthellen nicht genug Nährstoffe liefern kann. Deshalb stoßen die Korallenpolypen die Zooxanthellen aus, was ein irreversibler Vorgang ist. Daher verlieren die Polypen mit den Zooxanthellen ihre Fähigkeit riffaufbauenden Kalk zu bilden auf Dauer. Die Temperaturgrenzen, innerhalb derer die Symbiose aus Polyp und Zooxanthellen funktioniert sind sehr eng gesetzt. Schon eine Abweichung von ein bis zwei Grad Celsius langt aus, um dieses Gleichgewicht umzukippen. Die Biologin erklärte mir auch, daß das weitflächige Korallensterben sich nicht auf den indischen Ozean beschränkt, sondern auch weite Teile des Pazifik erfaßt hat. Natürlich liegt beim Pazifik die Vermutung nahe, die mit dem El Nino einhergehende Oberflächenwassertemperaturerhöhung als Ursache für das Korallensterben anzusehen. Für den Indik ist aber zweifelhaft, ob das dort auch der Fall ist. Entsprechende Studien und Klimamodellrechungen fehlen noch. Die Einwohner der Seychellen berichten unisono, daß in den letzten Jahren das Wetter immer wärmer und auch feuchter geworden ist. Von unseren Messungen wissen wir auch, daß die Temperaturen an der Tropopause in etwa 16 km Höhe immer kälter werden. Beides kommt genau so auch aus den Computersimulationen zum Treibhauseffekt heraus. Vielleicht erleben wir hier an den Korallenriffen das erste Umkippen eines Ökosystems aufgrund des Anstieges der Treibhausgase, obwohl so ein Statement natürlich bis jetzt rein spekulativ ist. Die Regeneration der Korallenriffe dauert Jahrzehnte. Deshalb ist zu vermuten, daß die Rifffische abwandern, bzw. in ihrer Anzahl und Artenvielfalt auch reduziert werden. Dadurch wird natürlich die Fischerei, die ja Haupteinnahmequelle fast aller Anrainer des indischen Ozeans ist, erheblich betroffen sein.

Aber zurück zum Tauchen: Am wenigsten betroffen wird der Golf von Aquaba sein, denn der ist an das Tiefenwasser bis in 800 m Tiefe angekoppelt. Am südlichen Ausgang des Golfs gibt es eine Bodenschwelle, durch die das Tiefenwasser nur schlecht ins Rote Meer ausgetauscht werden kann. Dadurch können die Gezeiten nun eine Umwälzung des Wassers im Golf von Aquaba antreiben, die die erwähnte Ankopplung des Tiefenwassers an das Oberflächenwasser bewirkt. Dann werden Oberflächenwassertemperaturerhöhungen abgepuffert und gedämpft, sodaß der Golf von Aquaba -bisher- am wenigsten vom Korallensterben betroffen zu sein scheint. Die Tauchreiseziele hier bieten sich deshalb besonders an. Allerdings muß ich sagen, daß der fundamentale Schreck, den man beim Anblick der toten Riffe hier auf den Seychellen bekommt, eine sehr tiefgehende Erfahrung ist.

Zum kommerziellen Aspekt des Tauchens hier: Alles sehr teuer, die Basen bis zum Anschlag kommerzialisiert. Das heißt, man geht mit Gruppen um 12 Taucher mit einem Dive-Guide hinaus und sieht entsprechend viel. Die Dive-Guides verhalten sich sehr unsensitiv, was den Umgang mit ihren Kunden angeht. Zum Beispiel werden Anfänger und Fortgeschrittene rücksichtslos gemischt, sodaß man viel auf die Leute aufpassen muß, und wenig selber vom Tauchen hat. Ich hatte schnell den Ruf, ein Taucher zu sein, der unter Wasser "viel sieht und findet" und die erfahrenen Taucher wollten mit mir zusammengehen, was von dem Basisleiter aber immer, auch trotz Protesten, verhindert wurde weil mir statt dessen Anfänger zugeteilt wurden. Der Tauchgang kostet inklusive (kurzer) Bootsfahrt, Miete von Flasche und Blei -bei ansonsten eigener Ausrüstung- zwischen 60 und 70 DM. Wenn man aber alles leihen muß, werden daraus schnell 110 DM. Wird die Bootsfahrt "lang", d.h. länger als 30 Minuten, dann nennt sich das "long distance dive" und der Preis steigt von obigen DM 60 auf DM 87. Bei einem solchen Tauchgang waren wir 22 m tief, und ich hatte noch 100 bar in der Flasche, als der Dive-Guide für alle 12 Taucher den Tauchgang abbrach, weil wohl irgendeiner viel zuviel Luft verpustet hatte. Darüber werde ich mich dieser Tage bei PADI per email in sehr deutlicher Sprache beschweren. Bei den Basen, die ich ausprobiert hatte ich -mit einer Ausnahme- das Gefühl, daß man nur ungerne ins Wasser geht, am Tauchen kaum noch Freude hat und alles komplett auf Gewinnabwurf ausgelegt ist. Die schlimmste Basis ist die beim "Coral Strand Hotel", von deren 5 PADI Sternen mindestens drei zuviel sind. Alle Tauchgänge waren "nur" bis 15 m (nur in zwei Ausnahmefällen bis 22 m), keiner länger als 55 Minuten, weshalb ich denke, daß Schnorcheln fast genauso gut ist. Schildkröten gab es aus großer Nähe bei mindestens 30 % der Schnorchelgänge zu sehen, zum Beispiel. Erwähnt sein soll auch, daß Tauchgänge außerhalb der Nullzeit auf den Seychellen grundsätzlich verboten sind. Meine Empfehlung lautet basierend auf dem Geschilderten und Erlebten, das Tauchen auf den Seychellen ganz zu lassen, oder auf das Schnorcheln zu beschränken, oder eine der extrem teuren Kreuzfahrten mitzumachen, bei denen man von den Inseln wegkommt. Die PADI Basen auf den Seychellen legen wohl eher Wert darauf, die Neuanfänger teuer auszubilden, und vernachlässigen daher die Betreuung der erfahrenen Taucher. Wenn Ihr meinen Bericht über die Dreisterne PADI Basis in Port San Paolo auf Sardinien gelesen habt, dann erinnert Ihr Euch vielleicht, daß der "Service" dort unvergleichlich viel besser war. Obwohl die UW-Welt bei Sardinien naturgegebenermassen weniger bietet, als die Seychellen, hat mir das Tauchen dort erheblich viel mehr Spaß gemacht.

 

St.Bormann